Was ist Krisenmanagement? Teil 7: Wiederherstellung

Was Wiederherstellung im Rahmen des Krisenmanagements bedeutet und wie Organisationen resilient werden.

Die Wiederherstellung des Regelbetriebs nach einem Krisenfall ist für die Notfallbewältigung und das Krisenmanagement jeder Organisation von entscheidender Bedeutung. Um die beeinträchtigten Geschäftsbereiche zügig wieder in Betrieb nehmen zu können, müssen die Prozesse robust sein. Das kann Unternehmen nicht nur im Notfall vor größeren Schäden bewahren, sondern auch im Alltagsgeschäft von Vorteil sein.

Schauen wir uns an, was der Prozess der Wiederherstellung im Rahmen des Krisenmanagements genau bedeutet:

Wiederherstellung (Recovery)

Krisenmanagement Wiederherstellung

Mit Blick auf das Katastrophenmanagement definiert die Internationale Strategie zur Katastrophenvorsorge der Vereinten Nationen UNDRR “Recovery” als

“die Wiederherstellung und gegebenenfalls Verbesserung von Einrichtungen, Lebensgrundlagen und Lebensbedingungen der von einer Katastrophe betroffenen Gemeinschaften, einschließlich der Bemühungen zur Verringerung der Katastrophenfaktoren”.

(Quelle)

Nachfolgend widmen wir uns zuerst der Planung von Wiederherstellung, um später auf die aktive Wiederherstellungsphase nach der Krisenbewältigung einzugehen. In diesem Zusammenhang beleuchten wir das Konzept der Resilienz, und zwar aus den Perspektiven der Gesellschaft, Technologie, Wirtschaft und Psychologie.

Planung von Wiederherstellung

Da der Wiederaufbau nach einem schweren Notfall ein komplexer, kostspieliger und langwieriger Prozess ist, empfehlen erfahrungsbasierte Leitlinien und bewährte Praktiken, sich gründlich darauf vorzubereiten. Wiederherstellungsstrukturen und -prozesse müssen also bereits im Voraus gut geplant und getestet werden. Nach einem Krisenereignis geht es aber nicht nur darum, den Normalzustand zu erreichen, sondern sollte als Gelegenheit verstanden werden, die Resilienz im Status quo zu verbessern.

Je besser die Planung, desto einfacher ist die Wiederherstellung. Das Hauptkonzept ist hier der Business Continuity Plan, der die strategische und taktische Fähigkeit eines Unternehmens beschreibt, sich auf Zwischenfälle und Betriebsstörungen vorzubereiten und darauf zu reagieren, damit der Betrieb auf einem akzeptablen Niveau aufrechterhalten werden kann.

Eins seiner Kernelemente ist die Business Impact Analyse (BIA), die aus folgenden Bereichen besteht:

  • Erfassung und Auswahl relevanter Geschäftsprozesse,
  • Schadensanalyse für Ausfall der Prozesse,
  • Bestimmung von Schadensklassen (Finanzen, Reputation etc.),
  • Bewertung möglicher Folgen für unterschiedliche Dauer eines Ausfalls,
  • Priorisierung der Prozesse sowie
  • Ressourcenbetrachtungen.

Resilienz als Wiederherstellung

Wie wir bereits im 5. Teil unserer Blogserie zur Krisenvorsorge festgestellt haben, beschreibt Resilienz die Fähigkeit eines Systems, einer Gemeinschaft oder einer Gesellschaft, den Auswirkungen einer Gefahr rechtzeitig und effizient zu widerstehen, sich an sie anzupassen und sich von ihnen zu erholen, auch durch die Erhaltung und Wiederherstellung ihrer wesentlichen Grundstrukturen und Funktionen.

Dabei umfasst Resilienz nicht nur den Schutz selbst, sondern auch Prävention, Schulung, Bildung, Forschung, Abschreckung, risikobasierte Minderung, Krisenbewältigung, Genesung und längerfristige Wiederherstellung.

Man kann Resilienz unter anderem am Leistungsniveau eines Systems messen, d.h. ob es vollständig außer Betrieb gesetzt wurde oder nicht. Folglich würde die Verringerung der Fälle von Totalausfall der Leistung die Widerstandsfähigkeit erhöhen. Außerdem spielen Zeit, (oder Geld/Verluste), die eine Infrastruktur oder eine Funktion zur vollständigen Wiederherstellung des normalen Betriebs benötigt, eine Rolle. Denn je schneller die Wiederherstellung der geschädigten Geschäftsprozesse gelingt, desto widerstandsfähiger ist das System natürlich.

Gesellschaftliche Erholung

Bei der gesellschaftlichen, sozialen oder gemeinschaftlichen Resilienz geht es in der Regel um die Frage der Anpassungs- bzw. Reaktionsfähigkeit, die Wiederherstellung des Notfallmanagements und der Selbsthilfekapazitäten bei Krisen, Notfällen oder Katastrophen.

Zu den Indikatoren zur Messung des Ausgangsniveaus der gesellschaftlichen Resilienz gehören unter anderem: Bildungsgerechtigkeit, Alter, Verkehrsanbindung, Kommunikationsfähigkeit, Sprachkompetenz, Gesundheitsversorgung, Ortsverbundenheit, politische Strukturen, Zusammenhalt und Vertrauen, gesellschaftliche Beziehungen, Lebenszufriedenheit, Konflikte, Macht, Engagement junger Menschen, Reaktionen auf die Möglichkeiten zur Beeinflussung von Veränderungen, Lernen und Wissen, Wissensnutzen und Wissenstransfer, Lernen aus Erfahrungen, Beteiligung an der Entscheidungsfindung, Einsatz von Gemeinschaftsressourcen sowie Handlungsfähigkeit der Interessensgruppen.

Aber auch die Verbindung zwischen Infrastrukturen und sozialen Systemen spielen eine Rolle. So wird argumentiert, dass es notwendig ist, physische Systeme und menschliche Gemeinschaften miteinander zu verbinden, um die gesellschaftliche Resilienz zu messen und zu verbessern.

Organisatorische Wiederherstellung

Eine gängige Definition der organisatorischen Resilienz stützt sich auf verschiedene zeitliche Phasen und lautet übersetzt “eine Funktion des allgemeinen Situationsbewusstseins einer Organisation, des Managements der wichtigsten Schwachstellen und der Anpassungsfähigkeit in einem komplexen, dynamischen und vernetzten Umfeld”.

Aber woher weiß eine Organisation, ob sie resilient ist, oder nicht? In der Literatur über Indikatoren zur Messung der Widerstandsfähigkeit einer Organisation sowie in nationalen und internationalen Normen (insbesondere aus der ISO- und ANSI-Familie) liegt der Schwerpunkt in erster Linie auf Kritischen Infrastrukturen, deren Herausforderungen in der Lieferkette im Zusammenhang mit potenziellen Infrastruktur-Ausfällen liegen.

Ziel ist es, die Fähigkeit einer Organisation zu messen, einer Störung in ihren kritischen Infrastruktureinrichtungen standzuhalten und ihre Funktionsfähigkeit aufrechtzuerhalten oder schnell wiederherzustellen. In der Praxis wird dies größtenteils in Form von Selbstprüfungen durchgeführt. Um widerstandsfähig zu sein, müssen Organisationen grundsätzlich Faktoren wie eine starke und flexible Führung, ein Bewusstsein und Verständnis für ihr operatives Umfeld, ihre Fähigkeit zur Anpassung an schnelle Veränderungen usw. berücksichtigen.

Krisenmanagement Resilienz

Technologische Wiederherstellung

Von technologischer oder technischer Resilienz wird meist im Bereich der kritischen Infrastrukturen gesprochen und liegt dann vor, wenn eine Infrastruktur in der Lage ist, einer Beschädigung oder Störung (z.B. bei einem Cybervorfall) zu widerstehen, und die im Falle einer Beeinträchtigung schnell und kostengünstig wiederhergestellt werden kann. Typische Merkmale der Resilienz kritischer Infrastrukturen umfasst: Robustheit, Redundanz, Einfallsreichtum und schnelle Erholung, nach einer Katastrophe so schnell wie möglich zur Normalität zurückzukehren.

Die Wiederherstellung lässt sich verbessern, z.B. durch ungeplante Wartungsarbeiten, wie leicht es ist, das System neu zu starten, die Unabhängigkeit des Systems von anderen Systemen, die möglicherweise ausgefallen sind usw. Diese Eigenschaften werden ihrerseits von mehreren anderen Indikatoren beeinflusst. So hängt die ungeplante Wartung beispielsweise davon ab, ob Wartungspersonal und Ersatzteile verfügbar sind oder ob das System so konzipiert wurde, dass es im Hinblick auf eine ungeplante Wartung widerstandsfähig ist.

Letzteres wird oft als Wartungsfreundlichkeit bezeichnet. Wenn z.B. ein technisches System bereits so konzipiert wurde, dass es belastbar ist, sollte es so weit wie möglich auf Modulen basieren. Ein technisches Versagen in einem Teil des Systems könnte dann schnell repariert werden, indem das ausgefallene Modul entfernt und durch ein neues ersetzt wird. Ein solches System wäre dann wartungsfreundlicher als Systeme ohne diese Eigenschaft und könnte im Falle eines technologischen Ausfalls schneller wiederhergestellt werden.

Wirtschaftliche Erholung

Bei der ökonomischen Belastbarkeit geht es im Großen und Ganzen darum, die wirtschaftlichen Folgen des Vorhandenseins oder Fehlens von Resilienz zu untersuchen, mit dem Ziel, Maßnahmen zur Resilienz, einschließlich der wirtschaftlichen oder finanziellen Erholung, vorzuschlagen und zu fördern. Die darwinistische Betrachtungsweise charakterisiert wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit wie folgt: Systeme, die sich nicht anpassen können, haben, ebenso wenig wie Arten, keine Überlebenschancen.

Ökonomisch betrachtet liegt der Schwerpunkt auf der Dynamik technologischer Innovation und der Notwendigkeit adaptiven Verhaltens in Unternehmen und Märkten. Folgende Aspekte spielen hier eine Rolle:

  • das Ausmaß der regionalen wirtschaftlichen Diversifizierung,
  • die Fähigkeit, notwendige Inputs zu ersetzen und zu sparen,
  • die kommerzielle und industrielle Improvisationsfähigkeit und
  • die Zeit, die benötigt wird, um Kapazitäten wiederzugewinnen oder entgangene Einnahmen.

Unterschieden wird zwischen statischer wirtschaftlicher Resilienz und dynamischer wirtschaftlicher Resilienz. Ersteres beschreibt die Fähigkeit einer Einheit oder eines Systems, die Funktion aufrechtzuerhalten (z.B. weiterzuproduzieren), Letzteres die Geschwindigkeit, mit der sich eine Einheit oder ein System erholt, um einen gewünschten Zustand zu erreichen.

Weiterhin lässt sich ökonomische Resilienz in drei Bereiche teilen:

  1. mikroökonomisch (einzelnes Unternehmen oder Haushalt),
  2. mesoökonomisch (einzelne Branche oder Markt) und
  3. makroökonomisch (Kombination aller Wirtschaftseinheiten).

Letzteres überschneidet sich in erheblichem Maße mit dem Schwerpunkt der gemeinschaftlichen oder gesellschaftlichen Resilienz. Die Idee ist, wirtschaftliche Resilienz-Indikatoren für alle drei Ebenen zu entwickeln. Zusammen bilden sie eine Art Gesamtindex zur Charakterisierung der wirtschaftlichen Resilienz.

Psychologische Genesung

Psychologische Resilienz betrifft die Fähigkeit zur Erholung auf persönlicher Ebene. Das Ganze steht in engem Zusammenhang mit der Debatte über psychologische Genesung und der Forschung, die sich auf die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) konzentriert. PTBS kann aus einer Vielzahl von Situationen resultieren, nicht nur für die Opfer einer Krise, sondern auch für die im Einsatz tätigen Rettungskräfte.

Psychologische Resilienz konzentriert sich auf die Frage, wie man messen kann, ob eine Person psychologisch resilient ist oder nicht, insbesondere gegenüber PTBS. Die Indikatoren, die am häufigsten zu einer geringen Widerstandsfähigkeit gegenüber Katastrophen führen, sind u.a. fehlende soziale Unterstützung, frühere Traumata, Verlust von Ressourcen, menschlicher Verlust und schlechte physische oder psychische Gesundheit.

Maßnahmen zur Verbesserung dieser Bedingungen oder zur gezielten Förderung der am stärksten gefährdeten Gruppen können die psychologische Widerstandsfähigkeit erhöhen.

Krisenmanagement Recovery

Fazit

Der Prozess der Wiederherstellung konzentriert sich zum einen auf die Planung von Wiederherstellung, bei der es nicht um die eigentliche Erholungsphase geht, sondern vielmehr um die Vorbereitung, also um die Elemente, die vorhanden sein müssen, um die Erholung nach der Krise zu erleichtern. Zum anderen betrifft Wiederherstellung die Resilienz, die sich mit der zentrale Frage befasst, wie sich Systeme nach einem Ausfall schnell wieder erholen können - sowohl auf gesellschaftlicher, organisatorischer, technologischer, wirtschaftlicher als auch psychologischer Ebene. Welche Lehren am Ende aus einer Krise gezogen werden können, erfahren Sie im 8. und letzten Teil unserer Blogserie

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